Unser Leben ist begrenzt. Nicht allein durch die Arbeit, die nur einen Teil unserer Begabungen und Fähigkeiten verlangt und den Rest brach liegen lässt. Auch Beziehungen zu Menschen sind begrenzt: müde, schleppende Gespräche, kein richtiger Austausch mehr. Vielleicht wird das Begrenzt-Sein erst recht bewusst an den verminderten Möglichkeiten, die Krankheiten mit sich bringen.
All das macht unseren Horizont eng und Grau überschattet das Leben. Viele vertagen die Weite und das Atemholen dann in den Urlaub. Dort wollen sie nachholen, was sie im Alltag vermissen. Aber das ist eine Illusion. Wer an 335 Tagen eng lebt, hat es verlernt, 30 Tage frei zu sein. Und wenn? Dann leben wir ja nur 30 Tage im Jahr! Zu wenig.
Im Psalm 31,9b heißt es: "Du stellst meine Füße auf weiten Raum!" Der Psalmbeter hat dieselben Erfahrungen gemacht, wie ich: Freude neben Leid, Leben neben Tod, Weite neben Enge. Und doch drückt dieses Gebet ein grenzenloses Vertrauen aus zu Gott. Zu Gott, der eben kein Gott der Enge, sondern ein Gott der Weite ist. Kein Gott der Atemlosigkeit und Beklemmung, sondern ein Gott des Atemschöpfens.
"Gott, du stellst meine Füße auf weiten Raum!" Das ermuntert mich immer wieder, einen Moment stehenzubleiben. Tief einatmen. Die Luft strömen lassen bis in die Füße. Spüren, dass ich auf festem Boden stehe. Den Blick heben und schauen. In die Weite. Auf einmal sehe ich, wo Spielräume in meinem Alltag sind. Wo es Freiräume gibt und Entfaltungsmöglichkeiten. Dann atme ich Leben ein, so wie es Gott eigentlich gedacht hat.
"Du stellst meine Füße auf weiten Raum." Gott gibt mir den Raum, den ich zum Leben brauche. In aller Weite. In aller Hoffnung.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie in Gottes weiten Raum aufatmen können!
Ihre Bettina Lezuo, Evangelische Pfarrerin in Goldbach