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Gedanken zum Evangelium - 24. Sonntag im Jahreskreis

Sag doch sowas nicht!

Jesus kündigt seinen Jüngern an, dass er leiden und sterben wird. Petrus macht ihm deshalb Vorwürfe. Dass Angehörige und Freunde nichts vom Tod hören wollen, das gibt es auch heute noch, sagen drei Frauen, die sich im Hospizdienst engagieren.

Evangelium

In jener Zeit ging Jesus mit seinen Jüngern in die Dörfer bei Cäsarea Philippi. Auf dem Weg fragte er die Jünger: Für wen halten mich die Menschen? Sie sagten zu ihm: Einige für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für sonst einen von den Propheten. Da fragte er sie: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Simon Petrus antwortete ihm: Du bist der Christus! Doch er gebot ihnen, niemandem etwas über ihn zu sagen.

Dann begann er, sie darüber zu belehren: Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohepriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er muss getötet werden und nach drei Tagen auferstehen. Und er redete mit Freimut darüber.

Da nahm ihn Petrus beiseite und begann, ihn zurechtzuweisen. Jesus aber wandte sich um, sah seine Jünger an und wies Petrus mit den Worten zurecht: Tritt hinter mich, du Satan! Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.

Er rief die Volksmenge und seine Jünger zu sich und sagte: Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten.

Markusevangelium 8,27–35

Bis vor einigen Monaten hat Elisa Vogginger einen schwerkranken Mann begleitet. Er hatte ein künstliches Herz, war zuletzt bettlägerig und hatte Wasser in der Lunge. „Der Mann hatte eine große Angst vor dem Sterben“, erinnert sich die 41-Jährige. Es war nicht so sehr die Angst vor dem Tod, vor dem Nicht-mehr-da-sein, die ihn bewegte, sondern vor dem Moment des Sterbens. „Sein Herz war mit Batterien verbunden und die Geräte piepen im Moment des Todes entsetzlich laut. Und nur ein Arzt darf das ausstellen. Der Mann hatte Angst, das in seinen letzten Momenten hören zu müssen“, sagt Vogginger. Und über diese Angst wollte er gerne sprechen.

Gespräche, so ähnlich wie das zwischen Jesus und Petrus

Seit gut zehn Jahren arbeitet Vogginger als ehrenamtliche Hospizhelferin beim Malteser Hilfsdienst in Dresden. In dieser Zeit hat sie Menschen teils über Monate und Jahre begleitet – im Leben, im Sterben und die Angehörigen auch über den Tod hinaus. Sie besuchte die Menschen zu Hause oder im Pflegeheim, verbrachte meist zwei oder drei Stunden pro Woche mit ihnen. Manchmal erlebte sie bei ihren Besuchen Gespräche, die dem Dialog von Jesus und Petrus im Evangelium an diesem Sonntag ähneln: Jesus, der die Menschen belehren will, der über sein Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung sprechen will. Und Petrus, der ihn beiseite nimmt, ihn beschwichtigt und zurechtweist, er solle darüber nicht reden.

„Ja, solche Gespräche gibt es“, sagt Vogginger. „Aber dafür sind wir ja da. Das ist unsere Aufgabe: dass die Sterbenden alles sagen dürfen. Dass alles rauskommt. Sie stehen bei uns im Mittelpunkt.“ So war es auch bei dem schwerkranken Mann. „Er und seine Frau waren über 50 Jahre verheiratet. Die Frau war nicht gut auf den Mann zu sprechen und ich hatte den Eindruck, dass die beiden sich schon eine ganze Weile durch ihre Ehe durchbeißen mussten“, sagt Vogginger. Die Krankheit und die Pflege des Mannes hätten die Situation noch zusätzlich erschwert: „Er hätte sich gewünscht, dass seine Frau bei ihm am Bett sitzt und ihm zuhört. Aber sie hatte keinen Kopf dafür, war verletzt und frustriert. Sie sagte, dass schon alles gut werde, dass noch Zeit genug bliebe.“

Stattdessen saß Vogginger am Bett des Mannes und hörte zu: Erzählungen aus der Kindheit und Jugend, aus dem Berufsleben und der Ehe. „Der Mann war traurig über das Verhalten seiner Frau. Aber er konnte das reflektieren. Gemeinsam konnten wir die Traurigkeit aushalten. Das hat es ihm leichter gemacht.“ Erst zum Ende, als er schon im Sterben lag, habe die Frau erkannt, dass es nötig sei, sich für ihn Zeit zu nehmen. „Da war sie wie verwandelt, liebevoll und hat ihm beigestanden. Allerdings konnte er zu diesem Zeitpunkt kaum noch sprechen“, sagt Vogginger. „Als er starb, war sie aber an seiner Seite. Er ist friedlich eingeschlafen und ich glaube, er hatte eine gute Sterbestunde“, sagt Vogginger.

Andere Kulturen gehen offener mit dem Tod um

Regina Prachtl war mehr als zwei Jahrzehnte in unterschiedlichen Funktionen in der Hospizarbeit des Dreikönigsvereins in Neubrandenburg aktiv. Sie hat oft erlebt, wie schwer es den Menschen fällt, über den Tod zu sprechen. „Wir sind das nicht gewohnt. Und wir haben Ängste: Wir wollen den anderen nicht verlieren“, sagt sie. Andere Kulturen, wie etwa Muslime, hätten ihre Tradition, mit Tod und Trauer umzugehen, etwa laut zu klagen und den Schmerz zuzulassen. „Wir haben noch nicht in allem die Sprache gefunden“, sagt Prachtl.

Das Nicht-Sprechen-Wollen über den Tod deutet sie auch als ein Zeichen von Liebe: „Manchmal lieben wir einander so sehr, sind uns so nah, dass wir einfach nicht darüber reden können, weil wir es nicht ertragen, den anderen traurig zu sehen.“ Als Hospizhelferin versucht sie immer wieder, die Menschen zu bestärken: „Ihr dürft unsicher sein, aber der Tod gehört zum Leben. Diese Botschaft möchte ich weitergeben.“

Dass der Tod zum Leben – und auch mitten ins Leben – gehört, erfährt Charlotte Jarosch von Schweder immer dann, wenn sie mit dem Herzenswunsch-Krankenwagen des Malteser Hilfsdienstes Hannover unterwegs ist. Anfang August hat sie einen 42-jährigen Familienvater aus dem Krankenhaus nach Hause gefahren, damit er an der Einschulungsfeier seines Sohnes teilnehmen konnte. „Seit zwei Jahren hatte er gegen den Krebs gekämpft, verschiedene Therapien und Operationen gehabt“, sagt Jarosch von Schweder. Doch nun war klar: Er kann den Kampf gegen die Krankheit nicht gewinnen.

Über den Tod wurde an diesem Nachmittag nicht gesprochen. „Die Stimmung war immer mal wieder betrübt, aber genauso oft fröhlich und unbeschwert“, sagt Jarosch von Schweder. Die Kinder spielten im Garten, konnten im Pool planschen und sich den Krankenwagen anschauen. Für die Erwachsenen sei vor allem der Moment des Abschieds schwer gewesen, weil klar gewesen sei, es könnte auch der letzte Abschied sein.

„Das Bewusstsein, dass der Tod kommt, ist immer da“, sagt Jarosch von Schweder. Darüber müsste in einem solchen Moment nicht gesprochen werden. „Aber wenn wir mit dem Herzenswunsch-Krankenwagen kommen, ist das ein Schritt ins Leben. Diese Stunden sind für die schwerkranken Menschen und auch für die Angehörigen ein Geschenk“, sagt Jarosch von Schweder. „Und die Fotos und die Erinnerungen an diese Tage bleiben.“

Kerstin Ostendorf